body, if only for a while, since, 2017
Kathrin Siegrist
body, if only for
a while, since, 2017 Magnetresonanz tomographie, Leinwände
130×168cm
Ich bin viele, nur wie ist es möglich, diese Vielstimmigkeit auszudrücken? Kathrin Siegrist realisiert seit vielen Jahren Werke, Performances, Lesungen oder auch räum- liche Interventionen. Selten geschieht dies alleine, sondern meist im Austausch mit anderen. Der eigene Name kann bisweilen hinter einem Kollektiv oder gar einer fik tiven Person verschwinden. Nicht das Indi viduum ist das Entscheidende, sondern das, was gemeinsam hervorgebracht und dabei zur Diskussion gestellt wird.
Im Kunsthaus zeigt Siegrist einen Werkkom- plex, der den gesamten Kabinettraum samt Decke einnimmt. An den Wänden ist eine Serie von Leinwänden ausgebreitet. Spuren und zeichnerische Gesten, die mal kräftiger, mal zarter sein können und bisweilen
an fiktionale Schriftzeichen erinnern, werden erkennbar. Körper und ihre Bewegungen scheinen sich in den Leinwänden eingeschrieben zu haben und erzählen unter anderemvon der Kooperation mit anderen Teilnehmern, die dieser Arbeit zugrunde liegt.
Gleich einer Partitur ziehen sich die Gesten, aber auch die geometrischen Formen über die Untergründe und korrespondieren zugleich mit der Architektur des Kunsthauses. Die Lichtdeckenkonstruktion mit ihrem regelmässigen Raster ist der Künstlerin Ausgangslage für eine weitere Intervention. MRI-Aufnahmen des Gehirns, die das Organ in einzelnen Querschnitten wiedergeben, liegen auf den Oberlichtern und scheinen diffus und doch sichtbar durch das Plexiglas. Beim genauen Betrachten und in Kenntnis des gesunden Organs zeichnet sich ein «Störfaktor» oder – wie es Siegrist nennt – ein «Parasit» auf dem Areal des Sprachzen trums ab. Gleichwohl er Teil des Organismus ist, wird er später entfernt, und zu Recht stellt sich die Frage: Was paralysiert hier wen?
Für Kathrin Siegrist ist der Körper als ein Hybrid und sich bewegender, aber auch verändernder Organismus seit Langem ein zentrales Thema. In diesen Zusammenhang fällt unmittelbar die Diskussion nach Sprache, Sprachentwicklung und damit auch Teilnahme oder Ausgrenzung im Sinne von Verständigung und Verständlichkeit. Welches Territorium lässt sich durch die Präsenz von Sprache, von Körper oder durch das «eigene Ich» behaupten? Welcher Machtapparat schreibt sich in Begriffe und Körper ein undurteilt über dieses Material? Lesen, Schreiben, Sprechen, Kommunizieren sind konstante Felder und Manifestationen, die es für Siegrist zu befragen gilt und lohnt. Text von Ines Goldbach